EU-Kommission will Kartengebühren regulieren

Kreditkarte der Standard Chartered Bank mit Tastatur und Display – aber ohne MP3-Player

„Mastercard führt Kreditkarte mit Tastatur und Display ein“, kann man dieser Tage in diversen Blogs und Tweets lesen.

Der Satz ist in zweierlei Hinsicht etwas problematisch. Zum einen gibt Mastercard überhaupt keine Kreditkarten heraus, zum anderen haben Mastercard, Visa & Co. aktuell ganz andere Probleme. Nicht Mastercard gibt Mastercard-Kreditkarten heraus, sondern Banken oder Unternehmen mit Banklizenz tun dies und zahlen dafür Lizenzgelder an Mastercard. Die meisten dieser so genannten Kartenherausgeber (Issure) haben sich aus Kostengründen jahrelang die Investition für EMV-Chips auf ihren Karten gespart, der mit ziemlicher Sicherheit mehr Sicherheit bietet als der leicht zu kopierende Magnetstreifen. Im Mutterland der Karten, den USA, scheuen die meisten Banken diese Investition noch heute, weil sie keinen Business Case für dieses – aus Sicht von Visa, Mastercard und Amex notwendige – Chiplein. Auch den Euro, oder die 40 oder 60 Cent, den eine NFC-Antenne für das kontaktlose Bezahlen pro Karte kostet, ersparen sich die meisten Issure bislang mangels Erkennbarkeit eines „return of investment“.

Eine Kreditkarte mit Display und Tastatur wird daher wohl nicht „the next generation of payment cards“ (Eigenwerbung) werden, sondern eher ein Marketinggag einiger Banken bleiben – wie eben der Standard Chartered in Singapur, die diese Karte nun mit weltweiter Aufmerksamkeit emittiert.

Auch Visa hat ein solches Plastikkärtchen mit Display und Nummernblock zur Erzeugung von „One Time Passwords“ (OTP) seit längerem im Produktportfolio. Technisch ist das längst kein Thema mehr, die große Frage bleibt, wie die Zusatzkosten für dieses niedliche Feature wieder reinkommen sollen. Eine Frage, die bei so mancher der aktuell zahllosen Announcement in Sachen Payment und M-Payment wenig Beachtung findet. Aber das ist eine andere Geschichte.

Gesetzlich festgeschriebene Kartengebühren?

Die IMHO derzeit viel spannendere Geschichte bzw. Neuigkeit ist die Ankündigung der Europäischen Kommission, die Gebühren für Kartenzahlungen zu regulieren. Sie wird vielleicht dazu führen, dass die Kartenherausgeber den Gürtel enger schnallen müssen – und den Schemes (Mastercard, Visa und Co.) weniger Spielraum für Innovationen oder Schnickschnack verbleibt.

„It (Anm.d.Verf: die EU-Kommission) will also make a legislative proposal on multi-lateral interchange fees for card payments.“ Dieser Satz hat eine gewaltige Sprengkraft, auch wenn er sich ziemlich versteckt in einem eher unscheinbaren Dokument findet, nämlich auf Seite 13, Abs. 1 des Single Market Act II. In dem am 3. Oktober 2012 veröffentlichen Papier beschreibt die Kommission zwölf Schlüsselaktionen („Key actions“), die sie 2013/14 auf den Weg bringen und verabschieden will, um den europäischen Binnenmarkt zu fördern.

Scheinbar ganz en passant, als eine von mehreren Maßnahme (z.B.: Novelle der PSD) des „Key actions 8“, fällt der Kommission dabei ein, dass man die Gebühren von Kartenzahlung gesetzlich festschreiben will. Auf diese Weise sollen Hürden für den grenzüberschreitenden E-Commerce abgebaut werden. „Support online services by making payment services in the EU more efficient“, heißt es in dem Dokument lapidar.

Der Wettbewerbskommission sind die Kartengebühren und insbesondere die so genannten „multi-lateral interchange fees“ schon seit langem ein Dorn im Auge. Ich habe eine kleine Chronik der Auseinandersetzung von Mastercard und Visa mit der EU-Kommission und dem Europäischen Gericht erster Instanz in diesen Artikel gepackt.

Seit einiger Zeit raunt man sich in der Kartenbranche zu, dass die Kommission mit dem Damoklessschwert einer Regulierung der Interbankenentgelte droht. Im „Single Act II“ kündigt sie diesen weitreichenden Schritt nun erstmals konkret an und Alexander Gee, Deputy Head Payment Unit in der General Direktion Wettbewerb, nannte mit „April 2013“ auf der Payment World Anfang November in Mainz erstmals einen konkreten Termin für die Veröffentlichung eines entsprechenden Entwurfs.

Die Regulierung der Interbankenentgelte ist die schärfste Waffe der Kommission im Streit mit den Kartenorganisationen und sie ist der härteste Eingriff in den Markt. Gee wollte sich in einem Nachgespräch (natürlich) nicht auf eine Höhe der Gebührensätze festlegen. 0,2 Prozent vom Umsatz für Debitkartentransaktionen und 0,3 Prozent für Kreditkarten stehen als absolute Obergrenzen aus den bisherigen Auseinandersetzungen freilich im Raum. Gee wollte sich aber auch nicht auf Schemes festlegen lassen und sprach von sich aus auch eine mögliche Einbeziehung etwa des deutschen Girocard-Verfahrens in den Regulierungsvorschlag an. Dies müsse man nun bis April alles prüfen und erwägen, so sein Tenor.

Regulierung hätte ebenso durchgreifende wie unklare Folgen

„Kosteneffizient“ ist das Zauberwort, das die EU-Kommission gerne in einem Atemzug mit den Interbankenentgelten im Mund führt. Das heißt wohl Kosten + noch einen Schnaps zum Überleben oben drauf, wobei man dann noch trefflich über die tatsächlichen Kosten streiten kann. Dazu hat die Kommission erstmal eine 1,5 Millionen Euro teure Marktrecherche eingeplant.

Die traumhaften zweistelligen Umsatzrenditen (teils jenseits der 40 Prozent), die Mastercard und Visa bislang gewöhnt sind, werden mit regulierten Interchange fees jedenfalls in Europa nicht mehr drin sein.

Unklar ist freilich wer von einer Deckelung der Kartengebühren profitieren wird, die Akzeptanzstellen in Handel, Gastronomie und Dienstleistung, der Verbraucher oder Drei-Partei-Kreditkartensysteme wie American Express. Unklar ist auch, ob es nachteilige Effekte geben wird, etwa aufgrund einer geringeren Investitionsbereitschaft – gleichbedeutend mit weniger Innovationen (NFC, M-Payment, s.o.), geringere Sicherheit oder Stabilität der Systeme. Dazu werden die Kartenorganisationen in den nächsten Wochen und Monaten nach zahlreiche Argumente und Studien liefern. Die Geschütze der Lobby- und Öffentlichkeitsarbeiter sind schon geladen, denn für die beiden großen Schemes kommt die Entscheidung ja nicht überraschend.

Die EU-Kommission ist aufgrund des Subsidiaritätsprinzips m.E. nur für die Interchange fees bei grenzüberschreitenden Zahlungstransaktionen zuständig und kann daher auch nur diese Regulieren. Aber eine entsprechende Vorgabe aus Brüssel hätte natürlich Folgen für die nationalen Märkte und sie wäre ein Leuchtturm für die Kartellbehörden der Mitgliedsstaaten. Gee verwies diesbezüglich auf erfreuliche „europäische Entscheidungen“ der nationalen Kartellbehörden in Polen, Ungarn, Italien, UK und Frankreich. Deutschland bildet hier vielleicht erstmal eine Ausnahmen, denn mit dem elektronischen Lastschriftverfahren (ELV) existiert hierzulande ja ein Wettbewerber zu den Kartensystemen der Banken. Allerdings recherchiert auch das Bundeskartellamt (BKartA) in Sachen Kartengebühren und hat in diesem Jahr Fragenkataloge an Handelsunternehmen versandt, um sich einen Überblick über den Sachstand bei den geforderten bilateralen Verhandlungen der ec-cash-Gebühren zu machen (Girocard = EC-Karte). „Wir sind wie Wölfe in die Gespräche mit den Bankverbänden BVR und DSGV hineingegangen und wie begossene Pudel herausgekommen“, kommentierte ein Handelsmanager die bisherigen Verhandlungs“erfolge“ seines Unternehmens. VÖB und BdB haben nicht mal Gespräche über die Girocard-Gebühren angeboten. Doch das BKartA misst dem Thema derzeit keine Priorität zu.

Doch Brüssel bringt Bewegung in die Bude, es wird spannend:

(1) Welche Auswirkungen wird der in Aussicht gestellte Regulierungsvorschlag der EU-Kommission zeitigen? Die „Key actions“ des Single Market Act II sollen nach den Vorstellungen der Kommission bis zum Ende 2014 von alle Gremien der europäischen Legislativen verabschiedet sein. Zwischenzeitlich erwartet die Kommission von Mastercard und Visa laut Gee ein „proaktives“ Umsetzen der Vorgaben aus dem EuGH-Urteil vom Mai dieses Jahres – und verweist auf mögliche Schadensersatzklagen von der Akteptanzseite.

(2) Welche alternativen Geschäftsmodelle und Erlösquellen stehen den Kartenorganisationen zur Verfügung bzw. auf welche weichen sie aus? (Jahresgebühren für Karteninhaber?).

(3) Und was fängt der Rest der Welt mit dem Vorgehen der EU-Kommission an? Kartellrechtliche Auseinandersetzungen um die Interchange toben seit langem auch in Australien oder den USA um nur zwei Beispiele zu nennen.

Leseempfehlung zum 7,25 Mrd. US-Dollar Vergleichsangebot: Nancy Folbre „The Big Swipe“ im Economix Blog der New York Times. Mein Lieblingszitat daraus: „Under the administration of President George W. Bush, federal antitrust efforts were less than energetic.“

Weitere Lese- bzw. Surfempfehlung zum Thema Regulierung und Interchange: Die vollständige Dokumentation des Brüsseler Symposiums „The Role and Regulation of Interchange fees for European Card Schemes“ auf der Seite Pymnts.com. Ich gebe zu, ich habe noch nicht die Zeit gefunden, mich dort einzuhören und einzulesen. Das mache ich nachdem ich den BargeldlosBlog aufgezogen habe, für das dieser Text eigentlich bestimmt ist.

Ein gute Zusammenfassung des Grünbuchs der europäischen Kommission zu Karten-, Internet- und mobilen Zahlungen liefert das Centrum für Europäische Politik. Freilich sind die darin enthaltenen Einschätzungen zum Thema MIF nicht mehr auf dem aktuellen Stand.

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